Die Suche nach dem Glück ... |
Wir leben in einer Zeit, in der sich immer mehr
Menschen fragen, warum sie nicht glücklich sind. Diese Menschen suchen Rat auf
Internetplattformen oder Seminaren.
Und das Angebot ist reichhaltig: Da gibt es
einen „Lebensfreude-Kongress“, die „Praxis für positive Lebensgestaltung“ oder
eine „Navigation in Lebensfragen“. Auch ein ganzheitliches Coaching auf einer
Engelsfarm kann gebucht werden. Der Phantasie sind keine Grenzen gesetzt.
„Dies ist
unser Manifest.
Wozu Mensch bist du am Leben,
wenn nicht um alles zu wollen
und
alles zu geben.
Wir wissen wie es ist einzuschlafen.
Wir wissen wie es sich
anfühlt,
sich selbst zu verraten
und seine Mission zu vergessen.
Dies ist
unser Manifest.“
(Veit Lindau)
Manche greifen zu einem Buch wie Rolf Dobellis
Bestseller „Die Kunst des guten Lebens“ oder philosophischen Ratgebern von
Richard David Precht, besuchen das Seminar eines Motivationstrainers wie Veit
Lindau oder setzen sich in eine philosophische Abendveranstaltung der „School
of Life“ in Berlin. Die Möglichkeiten sein Leben zu justieren, sich dem
„Selbstoptimierungs-TÜV“ zu unterziehen, sind schier grenzenlos. Das eigene Lebensglück
scheint daber nur eine Frage der richtigen Optimierungsstrategie!
Tun Sie
nichts Falsches, dann passiert das Richtige.
Das Leben ist hart, sei härter.
Zu nett
für diese Welt.
Iss Dein Eis, bevor es schmilzt.
(Rolf Dobelli)
Mit seinem Buch „Wer bin ich? und wenn ja, wie
viele?“ wurde Richard David Precht zum Medien-Philosophen par excellence. Er
selbst hält sich allerdings auf Distanz zum Ratgeber-Geschäft und sieht sich
überhaupt nicht im Garten der Ratgeber:
Richard David Precht |
„Denn normalerweise erwarten Menschen von
Ratgeber-Literatur, dass am Ende zehn todsichere Tipps stehen, wie man
Millionär wird oder wie man seine Ehe rettet oder wie man das Glück findet, und
jemand der einem Menschen so etwas verspricht, der will ihn veralbern. Das geht
alles nicht. Es ist auch gut, dass das nicht so geht. Das Leben wäre ja furchtbar langweilig, wenn
man nur zehn Regeln befolgen müsste und dann wären alle in ihrer Liebe erfüllt
und alle reich und glücklich. Sondern als Philosoph versucht man als Erstes den
Menschen klarzumachen, dass es auf die großen Fragen des Lebens eben keine
guten und keine einfachen Antworten gibt. Aber, dass manchmal die Suche nach
einer Antwort wichtiger ist als die Antwort selbst.“
Das
Interessante am Leben sind ja nicht
die schnellen kleinen smarten Lösungen.
Das
Interessante am Leben ist der Weg selber.
(Richard David Precht)
Im
Grunde genommen, so Precht, habe sich seit den Zeiten der Antike eigentlich gar
nichts geändert. „Fast alle wichtigen Einsichten, die wir über den Sinn des
Lebens oder über das Glück haben, waren in der Antike im Grunde genommen schon
bekannt. Also dass man nicht irgendwelchen kleinen leichten Verlockungen im
Leben hinterherlaufen, soll, sondern dass man auf das gucken soll, was wirklich
Substanz hat und was andauert und dass man nicht allein in den Sinn-Genüssen
den Sinn des Lebens sehen soll, aber auch nicht auf sie völlig verzichten soll.
Das
sind eigentlich alles Dinge, die wir ja schon in der Antike kennen. Was heute
an den antiken Weisheitslehren so interessant ist: Für die Griechen war
Müßiggang – Kontemplation – Meditation, sich mit sich selbst zu beschäftigen,
seinen Gedanken nachzugehen, ein ganz großes Ideal.
Legen Sie
sich eine Kiste mit mentalen Buchführungstricks für alle Lebenslagen zu, und
Sie werden sehen:
Je geübter Sie darin sind, Denkfehler zu vermeiden,
desto
mehr Spaß macht es,
hin und wieder bewusst einen zu begehen
– zu Ihrem Wohl.
(Rolf
Dobelli)
Ähnlich
wie Richard David Precht, versteht sich Rolf Dobelli nicht als Coach oder
Erfolgstrainer, und betrachtet eher distanziert die Coaching-Szene aus der
Sicht des erfolgreichen Selfmade-Man:
Nach
Dobelli gibt diese große Nachfrage nach diesen Ratgebersminaren, „weil die Welt
so kompliziert geworden ist. Sie verändert sich sehr schnell. Wir haben
Unsicherheiten. Ein Job ist nicht mehr ein Job fürs Leben. Eine Beziehung ist
vielleicht nicht mehr eine Beziehung fürs Leben. Alles verändert sich, alles
ist im Fluss und die Leute suchen Orientierung und die große Orientierung, die
früher das Christentum hergab, dass dieses Leben eigentlich nicht so wahnsinnig
wichtig ist.
Muss
man ein guter Mensch sein? Das wichtige, schöne Leben kommt dann nach dem Tod.
Und diese Orientierung fehlt, ist weggebrochen. Die Leute fragen: Was gibt es
überhaupt noch aus der Geschichte der Philosophie? Was gibt es in anderen
Kulturen? Viele Leute schauen sich in die östlichen Gefilde rein. Was bietet
der Buddhismus beispielsweise, was bietet Konfuzius und suchen Halt, suchen
Orientierung.“
All jene,
die dich zu sich rufen,
zerren dich von dir selbst weg.
(Seneca)
Seneca
zählt zu Rolf Dobellis Lieblingsphilosophen: „Ich habe ein Teil Halt im
Stoizismus gefunden: Sie ist eigentlich ein Vorläufer des Christentums. Dort
gibt es gute Ansätze, wie man das Leben hinkriegt, in einer komplett
komplizierten Umwelt, wie wir sie jetzt im 21. Jahrhundert haben. Das ist eine
Philosophie, die ist 2300 Jahre alt. Die großen Namen sind Seneca, Epiktet,
Marcus Aurelius. Das sind Leute, die man wieder lesen soll und wirklich
anwendbar für dieses Jahrhundert.“
Epitket (50-135 n. Chr.) |
Der
Rückgriff auf antike Klassiker ist sehr verbreitet im Ratgeber-Geschäft:
Seneca, Mark Aurel und Epiktet, all die vielen Vordenker der inneren
Gelassenheit, werden häppchen-weise adaptiert und dem Geist der
Selbstoptimierung dienstbar gemacht. So sind die Dobellis philosophischen
Ratgeber-Baukästen gar nicht so weit entfernt von der Welt der
Selbstoptimierung, die nach Verbesserung des Selbst trachtet.
„Das
eigene Potential entdecken“,
„Besser kommunizieren im Arbeitsleben“,
„Den Job finden,
der zu mir passt“,
„Wie man die innere Ruhe bewahrt“,
„Wie man Entscheidungen
trifft“.
Auch
die „School of Life“ aus dem hippen Berliner Bezirk Prenzlauer Berg gehört zu
den Trendsettern der Lebensschulen: „Good Ideas for everyday Life“ – Gute Ideen
für den Alltag? Das Motto der „School of Life“ – der Schule fürs Leben – verspricht
Hilfe und praktische Lösungen für ein komplexes Leben.
Das
Ladengeschäft passt gut ins bunte freiberufliche Treiben im Prenzlauer Berg:
Neben zahlreichen Cafés, Buchhandlungen, Beratungsagenturen und Kitas macht der
schicke Laden im minimalistischen Look viel her: Hier könnten Designerklamotten
hängen oder Kunstwerke. Nun stehen die Bücher von Alain de Botton und andere
Lebensratgeber wie sorgsam angeordnete Ausstellungsobjekte im Regal, laden ein
zum Blättern. Kühles Understatement liegt in der Luft. Das Konzept wird in der
Londoner Zentrale der „School of Life“ vorgegeben und zertifiziert.
Wenn wir
erst mal angefangen haben,
Ausschau nach ihnen zu halten,
ist das Leben voller
kleiner Freuden.
(Alain de Botton)
Alain de Botton |
Alain
de Botton ist der geistige Vater der „School of Life“. Der Schweizer hat bisher
14 kleine, lebens-philosophische Bücher veröffentlicht - praktisch zu allen
Lebenslagen und Fragen: „Gelassenheit“, Sex“, „Kleine Freuden“, „Partnerschaft“
und „Traumjob“.
Wenn wir
uns fragen,
welche Arbeit wir künftig nachgehen können,
sollten wir darauf
vertrauen,
dass eine fundierte Antwort darauf bereits größtenteils
in uns
schlummert.
(Alain de Botton)
Ganz
neu ist Alain de Bottons Idee einer von Philosophen entwickelten Leitkultur
nicht, aber sie besticht mit einer reduzierten Schlichtheit, die im Grunde
jeden anspricht.
(Fortsetzung folgt)
Quelle und Zitate: Sven Ahnert, Glücksversprechen
– Philosophische Lebenshilfen, swr 2 Wissen, Sendung vom 6. Juli 2018
Keine Kommentare:
Kommentar veröffentlichen