Donnerstag, 9. Mai 2019

Philosophische Lebenshilfen und die Suche nach dem Glück - Teil 1


Die Suche nach dem Glück ...
Wir leben in einer Zeit, in der sich immer mehr Menschen fragen, warum sie nicht glücklich sind. Diese Menschen suchen Rat auf Internetplattformen oder Seminaren. 

Und das Angebot ist reichhaltig: Da gibt es einen „Lebensfreude-Kongress“, die „Praxis für positive Lebensgestaltung“ oder eine „Navigation in Lebensfragen“. Auch ein ganzheitliches Coaching auf einer Engelsfarm kann gebucht werden. Der Phantasie sind keine Grenzen gesetzt.

„Dies ist unser Manifest. 
Wozu Mensch bist du am Leben, 
wenn nicht um alles zu wollen 
und alles zu geben. 
Wir wissen wie es ist einzuschlafen. 
Wir wissen wie es sich anfühlt, 
sich selbst zu verraten 
und seine Mission zu vergessen.
Dies ist unser Manifest.“ 
(Veit Lindau)

Manche greifen zu einem Buch wie Rolf Dobellis Bestseller „Die Kunst des guten Lebens“ oder philosophischen Ratgebern von Richard David Precht, besuchen das Seminar eines Motivationstrainers wie Veit Lindau oder setzen sich in eine philosophische Abendveranstaltung der „School of Life“ in Berlin. Die Möglichkeiten sein Leben zu justieren, sich dem „Selbstoptimierungs-TÜV“ zu unterziehen, sind schier grenzenlos. Das eigene Lebensglück scheint daber nur eine Frage der richtigen Optimierungsstrategie!


Tun Sie nichts Falsches, dann passiert das Richtige. 
Das Leben ist hart, sei härter.
Zu nett für diese Welt. 
Iss Dein Eis, bevor es schmilzt. 
(Rolf Dobelli)

Mit seinem Buch „Wer bin ich? und wenn ja, wie viele?“ wurde Richard David Precht zum Medien-Philosophen par excellence. Er selbst hält sich allerdings auf Distanz zum Ratgeber-Geschäft und sieht sich überhaupt nicht im Garten der Ratgeber:

Richard David Precht
„Denn normalerweise erwarten Menschen von Ratgeber-Literatur, dass am Ende zehn todsichere Tipps stehen, wie man Millionär wird oder wie man seine Ehe rettet oder wie man das Glück findet, und jemand der einem Menschen so etwas verspricht, der will ihn veralbern. Das geht alles nicht. Es ist auch gut, dass das nicht so geht. Das Leben wäre ja furchtbar langweilig, wenn man nur zehn Regeln befolgen müsste und dann wären alle in ihrer Liebe erfüllt und alle reich und glücklich. Sondern als Philosoph versucht man als Erstes den Menschen klarzumachen, dass es auf die großen Fragen des Lebens eben keine guten und keine einfachen Antworten gibt. Aber, dass manchmal die Suche nach einer Antwort wichtiger ist als die Antwort selbst.“

Das Interessante am Leben sind ja nicht 
die schnellen kleinen smarten Lösungen.
Das Interessante am Leben ist der Weg selber. 
(Richard David Precht)

Im Grunde genommen, so Precht, habe sich seit den Zeiten der Antike eigentlich gar nichts geändert. „Fast alle wichtigen Einsichten, die wir über den Sinn des Lebens oder über das Glück haben, waren in der Antike im Grunde genommen schon bekannt. Also dass man nicht irgendwelchen kleinen leichten Verlockungen im Leben hinterherlaufen, soll, sondern dass man auf das gucken soll, was wirklich Substanz hat und was andauert und dass man nicht allein in den Sinn-Genüssen den Sinn des Lebens sehen soll, aber auch nicht auf sie völlig verzichten soll.

Das sind eigentlich alles Dinge, die wir ja schon in der Antike kennen. Was heute an den antiken Weisheitslehren so interessant ist: Für die Griechen war Müßiggang – Kontemplation – Meditation, sich mit sich selbst zu beschäftigen, seinen Gedanken nachzugehen, ein ganz großes Ideal.


Legen Sie sich eine Kiste mit mentalen Buchführungstricks für alle Lebenslagen zu, und Sie werden sehen: 
Je geübter Sie darin sind, Denkfehler zu vermeiden, 
desto mehr Spaß macht es, 
hin und wieder bewusst einen zu begehen
 – zu Ihrem Wohl. 
(Rolf Dobelli)


Ähnlich wie Richard David Precht, versteht sich Rolf Dobelli nicht als Coach oder Erfolgstrainer, und betrachtet eher distanziert die Coaching-Szene aus der Sicht des erfolgreichen Selfmade-Man:

Nach Dobelli gibt diese große Nachfrage nach diesen Ratgebersminaren, „weil die Welt so kompliziert geworden ist. Sie verändert sich sehr schnell. Wir haben Unsicherheiten. Ein Job ist nicht mehr ein Job fürs Leben. Eine Beziehung ist vielleicht nicht mehr eine Beziehung fürs Leben. Alles verändert sich, alles ist im Fluss und die Leute suchen Orientierung und die große Orientierung, die früher das Christentum hergab, dass dieses Leben eigentlich nicht so wahnsinnig wichtig ist.

Muss man ein guter Mensch sein? Das wichtige, schöne Leben kommt dann nach dem Tod. Und diese Orientierung fehlt, ist weggebrochen. Die Leute fragen: Was gibt es überhaupt noch aus der Geschichte der Philosophie? Was gibt es in anderen Kulturen? Viele Leute schauen sich in die östlichen Gefilde rein. Was bietet der Buddhismus beispielsweise, was bietet Konfuzius und suchen Halt, suchen Orientierung.“

All jene, die dich zu sich rufen, 
zerren dich von dir selbst weg. 
(Seneca)

Seneca zählt zu Rolf Dobellis Lieblingsphilosophen: „Ich habe ein Teil Halt im Stoizismus gefunden: Sie ist eigentlich ein Vorläufer des Christentums. Dort gibt es gute Ansätze, wie man das Leben hinkriegt, in einer komplett komplizierten Umwelt, wie wir sie jetzt im 21. Jahrhundert haben. Das ist eine Philosophie, die ist 2300 Jahre alt. Die großen Namen sind Seneca, Epiktet, Marcus Aurelius. Das sind Leute, die man wieder lesen soll und wirklich anwendbar für dieses Jahrhundert.“

Epitket (50-135 n. Chr.)
Der Rückgriff auf antike Klassiker ist sehr verbreitet im Ratgeber-Geschäft: Seneca, Mark Aurel und Epiktet, all die vielen Vordenker der inneren Gelassenheit, werden häppchen-weise adaptiert und dem Geist der Selbstoptimierung dienstbar gemacht. So sind die Dobellis philosophischen Ratgeber-Baukästen gar nicht so weit entfernt von der Welt der Selbstoptimierung, die nach Verbesserung des Selbst trachtet.


„Das eigene Potential entdecken“, 
„Besser kommunizieren im Arbeitsleben“, 
„Den Job finden, der zu mir passt“, 
„Wie man die innere Ruhe bewahrt“, 
„Wie man Entscheidungen trifft“.

Auch die „School of Life“ aus dem hippen Berliner Bezirk Prenzlauer Berg gehört zu den Trendsettern der Lebensschulen: „Good Ideas for everyday Life“ – Gute Ideen für den Alltag? Das Motto der „School of Life“ – der Schule fürs Leben – verspricht Hilfe und praktische Lösungen für ein komplexes Leben.

Das Ladengeschäft passt gut ins bunte freiberufliche Treiben im Prenzlauer Berg: Neben zahlreichen Cafés, Buchhandlungen, Beratungsagenturen und Kitas macht der schicke Laden im minimalistischen Look viel her: Hier könnten Designerklamotten hängen oder Kunstwerke. Nun stehen die Bücher von Alain de Botton und andere Lebensratgeber wie sorgsam angeordnete Ausstellungsobjekte im Regal, laden ein zum Blättern. Kühles Understatement liegt in der Luft. Das Konzept wird in der Londoner Zentrale der „School of Life“ vorgegeben und zertifiziert.

Wenn wir erst mal angefangen haben, 
Ausschau nach ihnen zu halten, 
ist das Leben voller kleiner Freuden. 
(Alain de Botton)

Alain de Botton
Alain de Botton ist der geistige Vater der „School of Life“. Der Schweizer hat bisher 14 kleine, lebens-philosophische Bücher veröffentlicht - praktisch zu allen Lebenslagen und Fragen: „Gelassenheit“, Sex“, „Kleine Freuden“, „Partnerschaft“ und „Traumjob“.


Wenn wir uns fragen, 
welche Arbeit wir künftig nachgehen können, 
sollten wir darauf vertrauen, 
dass eine fundierte Antwort darauf bereits größtenteils 
in uns schlummert. 
(Alain de Botton)

Ganz neu ist Alain de Bottons Idee einer von Philosophen entwickelten Leitkultur nicht, aber sie besticht mit einer reduzierten Schlichtheit, die im Grunde jeden anspricht.

(Fortsetzung folgt)


Quelle und Zitate: Sven Ahnert, Glücksversprechen – Philosophische Lebenshilfen, swr 2 Wissen, Sendung vom 6. Juli 2018

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