Donnerstag, 5. Februar 2015

Die Antike und der Humor

Das Stichwort „Humor“ wird man in den renommierten Lexika zur Literatur der Antike meist vergeblich suchen. „Humor“, insbesondere dann, wenn er in derb-zotiger Form auftritt, scheint für gelehrte Gemüter wohl nicht in das idealistische Bild des Altertums mit seinen hehren „klassischen“ Zügen zu passen.

Es wäre jedoch ein Irrtum, wolle man daraus die These ableiten, es hätte in der Antike keinen Humor gegeben. Das Gegenteil ist der Fall. Die kleine Anthologie „Humor in der Antike“ will daher „auf unterhaltsame Weise versuchen, dieses klassizistische Fehlurteil ein wenig zu revidieren, indem sie die heitere, fröhliche Seite unseres kultur- und geistesgeschichtlichen Erbes aus dem Altertum beleuchtet und vornehmlich literarische Texte präsentiert, die die Einbettung des Humorvollen in die Lebenswirklichkeit des antiken Menschen veranschaulichen.“

Natürlich sind Witz und Spott, Heiterkeit und Lachen aus der griechisch-römischen Zivilisation und ihrer literarischen Produktion nicht wegzudenken. Es ist bis heute ein unverzeihlicher Fehler, wenn Latein- und Griechischschüler nur mit den ehrwürdigen Schriften eines Cicero, Caesar, Sophokles, Platon oder Thukydides konfrontiert werden. Es stünde daher einem modernen Humanismus gut, „den Humor als genuinen Ausdruck spezifisch menschlicher Gefühlswelt und Lebensbewältigung deutlich stärker zu berücksichtigen, um nicht zu sagen: ihn ernster zu nehmen.“

Neben kleinen Anekdoten über große Leute oder antiken Graffiti und Inschriften finden sich hier auch Beispiele aus der Witzsammlung des Philogelos, einige Glanzstücke antiker Epigrammatik, Auszüge aus dem „Das Gastmahl des Trimalebio“, aber auch Stellen aus Werken bekannter antiker Autoren wie Homer, Aristophanes, Theophrast, Plautus, Horaz, Ovid, Juvenal, Seneca, Lukian und Apuleius.

Possenszene aus der Antike: Der Geizkragen auf der Schatztruhe
(Altes Museum, Berlin, Foto: Paideia)

Schon bei den Griechen stand die Komödie als heiteres Pendant neben der ernsten Tragödie – als selbstverständlicher Teil nicht nur des Unterhaltungswesens, sondern zunächst auch des Kultes: „Der zotig-aggressive Humor der Alten Komödie als besondere Artikulation von Gottesdienst - das schien den Griechen eine durchaus angemessene Hommage an ein Mitglied ihrer Göttergemeinschaft.“

Einige Kostproben:

„Die kynischen Philosophen hielten sich viel auf ihre Bedürfnislosigkeit zugute. Das Wenige, das sie zum Lebensunterhalt benötigten, erbettelten sie. Einst trat der Kyniker Thrasyllos zum makedonischen König Antigonos und bat ihn um eine Drachme. `Das ist kein Geschenk, das einem König entspricht´, lehnte Antigonos ab. `Dann gib mir eben ein Talent´, erwiderte Thrasyllos. `Tut mir Leid´, erhielt er zur Antwort, `aber das ist kein Geschenk, das einem Kyniker entspricht!´“ (Anekdote, Plutarch, Moralia 1 82 E).

„König Antiochos erfuhr, sein Sohn Demetrios fühle sich nicht wohl; er habe sich deshalb zurückgezogen. Der König machte sich Sorgen und entschloss sich, den Kranken zu besuchen. Als er sich seiner Haustür näherte, kam gerade ein hübscher Lustknabe heraus. Antiochos ging ins Haus, trat ans Bett seines Sohnes und fühlte seinen Puls. `Das Fieber hat mich gerade verlassen´, stotterte Dernetrios verlegen. `Ich weiß schon, mein Sohn´, erwiderte der König lächelnd, `es ist mir gerade vor der Tür begegnet.´ (Anekdote, Plutarch, Demetrios 19).

Kalkulierte Schamlosigkeit gehörte für den Philosophen zu seinem Kampf für mehr Ursprünglichkeit und gegen zivilisatorische Fesseln. Dazu gehörten auch bissige Bemerkungen: „Als der Sohn einer stadtbekannten Prostituierten einen Stein in eine Menschenmenge warf, ermahnte ihn Diogenes: `Vorsicht! Pass auf, dass du nicht zufällig deinen Vater triffst!´“ (Anekdote, Diogenes Laertios 6,62).

„Zu  einem übel gelaunten Arzt kam jemand und sagte: `Meister, ich kann weder liegen noch stehen und auch nicht sitzen.´ Worauf der Arzt ihm entgegnete: `Dann bleibt dir nichts anderes übrig, als dich aufzuhängen.´“ (aus der Sammlung des Philogelos, Nr. 183).

„Ein Mann mit stinkendem Atem begegnete einem Arzt. `Sieh, Herr´, sagte er, `mein Zäpfchen hat sich gesenkt´, und er machte seinen Mund weit auf. Der Arzt wandte sich ab und sagte: `Nicht dein Zäpfchen hat sich gesenkt, sondern dein Arschloch hat sich gehoben!´“ (aus der Sammlung des Philogelos, Nr. 235).

"Beste Grüße! Wir sind voll wie die Schläuche!" - "Solange ich lebte, trank ich gern. Trinkt auch ihr, die ihr noch lebt!" - "Wenn einer trinkt, ist ihm alles andere wurscht!" - (Graffitis aus Pompeji, Corpus Inscriptionum Latinarum IV 8492 - Ill 293 - IV 1831).
 
Ein Zecher übergibt sich nach einem Gelage,
sein Kopf wird dabei von einem Sklavenjungen gestützt.
(Altes Museum, Berlin - Foto: Paideia)

"Wir haben ins Bett gepinkelt. Ich geb's zu, Wirt, das war nicht fein. Fragst du, warum? Es war kein Nachttopf da." (Kritzelei an der Wand einer Taverne in Pompeji, Corpus Inscriptionum Latinarum IV 5244).

Ich schließe mich hier dem Urteil von Andreas Thierfelder an, der ein ausgewiesene Fachmann für Humor und Witz, Komik und Komödie der Antike war: „Auf die Gefahr hin, für geistig anspruchslos zu gelten, wage ich das Urteil, dass ein großer Teil der Witze gar nicht so übel ist …“

Zitate aus: Karl-Wilhelm Weeber: Humor in der Antike, Stuttgart 2006 (Reclam)

Keine Kommentare:

Kommentar veröffentlichen